Der Bundesgerichtshof hat am 9. April 2013 dem Gerichtshof der Europäischen Union
die Frage vorgelegt, ob die europäische Verordnung über Fluggastrechte
auch für Flüge mit Start in der Schweiz und Ziel in einem Staat
außerhalb der Europäischen Union anwendbar ist.
Im Ausgangsfall verlangt die Klägerin von der Beklagten aufgrund der
Fluggastrechteverordnung eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600 € wegen
eines verspäteten Fluges.
Die Klägerin buchte bei der Swiss International Air Lines AG einen Flug
von Frankfurt am Main nach Zürich und einen direkten Anschlussflug von
Zürich nach Yaundé in Kamerun mit einem Zwischenstopp in Duala. Der Flug
von Frankfurt am Main nach Zürich erfolgte planmäßig. Der Abflug des
Anschlussflugs in Zürich verzögerte sich um 6 Stunden und 10 Minuten.
Dieser Flug endete tatsächlich in Duala. Die Klägerin wurde sodann mit
dem Bus von Duala nach Yaundé befördert und erreichte dieses Ziel am
Abend des Folgetags mit einer Verspätung von mehr als 20 Stunden.
Das Amtsgericht hat die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte
verneint und die Klage als unzulässig abgewiesen. Auf die Berufung der
Klägerin hat das Landgericht die Klage vor deutschen Gerichten zwar für
zulässig, in der Sache aber für unbegründet erachtet. Ein Fluggast könne
einen Anspruch auf Ausgleichszahlung auch dann bei den für den ersten
Abflugort (hier Frankfurt am Main) zuständigen Gerichten einklagen, wenn
sich die Flugverspätung erst im Rahmen eines Anschlussfluges an einem
anderen Ort ereignet habe. Der Klägerin stehe der geltend gemachte
Ausgleichsanspruch jedoch nicht zu, weil die Verspätung erst bei dem
Anschlussflug eingetreten sei und dieser nicht in einem Mitgliedstaat
der Europäischen Union begonnen habe.
Der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Auffassung des Landgerichts
zur internationalen Zuständigkeit bestätigt. Er ist dem Landgericht auch
darin beigetreten, dass der Klägerin nur dann ein Anspruch zusteht,
wenn die Fluggastrechteverordnung auch auf den Flug von Zürich nach
Yaundé anwendbar ist. Er hält die Anwendbarkeit der Verordnung auf
solche Flüge jedoch für möglich, weil diese nach dem Wortlaut des
Luftverkehrsabkommens zwischen der Schweiz und der Europäischen Union
seit Dezember 2006 auch für die Schweiz anzuwenden ist. Ein Schweizer
Gericht hat jedoch entschieden, die Verordnung sei aufgrund des
Abkommens nur auf Flüge anzuwenden, die zwischen der Schweiz und einem
Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder umgekehrt verlaufen. Der
Bundesgerichtshof hat deshalb die Frage, ob die Fluggastrechteverordnung
auch auf Flüge von der Schweiz in einen Drittstaat anzuwenden ist, dem
für die Auslegung des Unionsrechts zuständigen Gerichtshof der
Europäischen Union vorgelegt.
Beschluss vom 9. April 2013 - X ZR 105/12
LG Frankfurt am Main – Urteil vom 28. Juni 2012 – 2-24 S 48/12
AG Frankfurt am Main – Urteil vom 3. Februar 2012 – 32 C 1418/11 (18)
Karlsruhe, den 9. April 2013
Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 (Fluggastrechteverordnung)
Art. 3 – Anwendungsbereich
(1) Diese Verordnung gilt
a)für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das
den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten; …
Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der
Europäischen Gemeinschaft über den Luftverkehr vom 21. Juni 1999 in der
Fassung des Beschlusses Nr. 2/2010 des Luftverkehrsausschusses
Gemeinschaft/Schweiz vom 26. November 2010 (Luftverkehrsabkommen)
ANHANG
Für die Zwecke dieses Abkommens gilt:
In allen Fällen, in denen in Rechtsakten, die in diesem Anhang
aufgeführt sind, auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft
oder der Europäischen Union als deren Rechtsnachfolgerin oder auf das
Erfordernis einer Bindung an diese Bezug genommen wird, ist diese
Bezugnahme für die Zwecke dieses Abkommens so zu verstehen, dass sie
auch auf die Schweiz oder das Erfordernis einer gleichen Bindung an sie
verweist. …